Kritik am STEP-Verkehr

von Norbert Rheinlaender
(Bürgerinitiative Westtangente / Stadtforum von Unten),
11. 9. 03

Aufgabe:

“Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und Unternehmen in der Stadt sind zu befriedigen und zugleich die unerwünschten Folgen zunehmenden Verkehrs für die Stadt zu begrenzen. Die Rahmenbedingungen der Mobilität müssen so gestaltet werden, daß soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aktivitäten mit möglichst wenig und möglichst um-welt- und stadtverträglichem Verkehr verbunden sind. (...) Der modal split hat sich au-ßerdem beim Personen - und Güterverkehr in den zurückliegenden Jahren trotz hoher Investitionen zu Lasten umweltfreundlicher Verkehrsträger verschoben. (...) Die EU-Gesetzgebung wird die Grenzen tolerierter Belastung noch deutlich absenken.” (Zitat aus dem STEP-Verkehr)

Somit ist der Handlungsbedarf allein durch die EU-Gesetze gegeben. Leider wird der STEP-Verkehr dieser umfassenden Aufgabe nicht gerecht. Er geht von den heute ge-gebenen (Autoverkehrs-)Ver-hältnissen aus und versucht diesem gerecht zu werden, spiegelt aber nicht das Motorisierungsverhältnis wieder, denn fast 50% der Bevölkerung haben keinen Pkw. Dieser Plan enthält vielmehr ein Ungleichgewicht der Maßnahmen und Investitionen zu Lasten der nichtmotorisierten Verkehrsarten und erhält damit zu-gleich diese Ungleichgewichtung, denn alle Menschen sind Fußgänger, auch Autofahrer und im Auto Mitreisende, ausgenommen die Rollstuhlfahrer und Bettlägerigen. Ein gro-ßer Teil der Nichtmotorisierten ist mobilitätsbehindert (Frauen mit Kinderwagen, Kinder, ältere Menschen usw.) und können deshalb in ihrem Verhalten von ihren Fähigkeiten her den sekundenschnellen Entscheidungen des MIV nicht gerecht werden. Deshalb müssen die Bedingungen des Motorkraftverkehrs im dichten Ballungsraum auf die Schwächsten zugeschnitten werden, damit diese nicht nur eine Überlebenschance ha-ben und nicht “Opfer” des MIV werden, sondern damit sich der Motorkraftverkehr dem Schutz des menschlichen Lebens als oberste Leitmaxime unterwirft; mit andern Worten: der Kfz-Verkehrs darf nur im engen Rahmen stattfinden, den die Nichtmotorisierten als Schwächere im Verkehrsgeschehen ihm unter den jeweils gegebenen Bedingungen zumessen, denn die Bevölkerung mit der geringsten Motorisierung in den dicht bebau-ten Wohnquartieren der Innenstadt wird durch den Kfz-Verkehr am stärksten belastet.

Der heutige Autoverkehr enthält nicht nur einen wesentlichen Anteil am Berufsverkehr, sondern inzwischen fast 50% Freizeit-, also “Spaß”-Verkehr. Ein großer Teil dieses Freizeitverkehrs ist den schlechten Freizeit- und Erholungsbedingungen innerhalb der Stadt geschuldet. Gleichzeitig hat sich im Wegzugsverhalten früherer Stadtbewohner auch die Verschlechterung der Wohnbedingungen, die Verteuerung der Mieten wie auch das Auswahlverhalten der ehemaligen Mieter bei steigendem Einkommen vor al-lem bei jungen Familien mit Kindern niedergeschlagen. Neben den vielen neu gebauten Einfamilienhäusern sind die vielen Datschen und Zweitwohnungen im Umland davon Zeuge. Dieser Verkehrsanteil wird im STEP-Verkehr gar nicht erwähnt, ist offenbar we-der als Verursacher identifiziert, noch untersucht worden, obwohl er diesen hohen Anteil ausmacht.

Leitbild

“Es gibt Antwort auf die Frage ‘Wohin wollen wir?’”(Zitat STEP-Verkehr). Dieses kenn-zeichnet die Oberflächlichkeit, auf der die “Lösung” der Problem gesucht wird. Hier ist erkennbar, daß mit dem falschen Leitbild gearbeitet wurde, denn ein nachhaltiges Leit-bild hätte untersuchen müssen: warum bewegen sich die Menschen und warum tun sie es über diese großen Entfernungen und dem dazu nötigen Zeit-, Geld- und Ressour-cenaufwand?
Augenscheinlich will das Senatsteam den heutigen, durch die Stadtentwicklung der 90er Jahre induzierten Anteil am motorisierten Verkehr voll befriedigen, statt ihn zu be-schneiden, umzulenken oder überflüssig zu machen, denn im Leitbild steht der denk-würdige Satz: “Grundgedanke ist, die künftigen Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen, dabei jedoch die unerwünschten Folgen des Verkehrs reduzieren.”(Zitat STEP-Verkehr).
Hier fehlen die einem nachhaltigen Verkehr entsprechenden Ziele des Senatsteams und folglich fehlen die entsprechenden Wirkungsuntersuchungen und Maßnahmen. Gleichzeitig werden an diesem Beispiel einige Defizite in der Stadtplanung deutlich. Der einzige Ansatz wird im folgenden Satz im Kapitel ‘Verkehrspolitischer Handlungsbedarf’ gemacht: “Eine stärkere Gestaltung der künftigen Verkehrsentwicklung wird nur gelin-gen, wenn die wegeverlängernde Entwicklungsdynamik der stadt-regionalen Siedlungs-struktur künftig besser beherrscht wird.” Und im Leitbild steht ein Kapitel ‘Verkehrsarme Raumstruktur in der ganzen Stadtregion’.
Das Verkehrsthema wird zu technisch gesehen; folglich geht das Senatsteam zu tech-nisch vor, um die Folgen “in den Griff” zu bekommen. Es fehlt die Vernetzung des Ver-kehrs mit der Stadtplanung und den Bedürfnissen der Stadtbewohner. Offenbar sind die Stadtplaner zu wenig beteiligt worden oder die Stadtplaner kennen zu wenig die Be-dürfnisse der Bewohner, die diese dazu veranlassen, deren Befriedigung durch Mög-lichkeiten in entsprechender Entfernung zu suchen und dabei Verkehr zu erzeugen. Dies sind Folgen einer falschen Stadtplanung.
Statt der Vermeidung negativer Auswirkungen des Gesamtverkehrs wäre es sinnvoller gewesen, die Defizite der dezentralen, ortsnahen Versorgung als Orientierung für not-wendige Maßnahmen zu nehmen, z.B. gesunde Luft mit geringer Belastung, gesundes Klima (geringe Windverhältnisse, ausreichende Kaltluftentstehung usw.), ausreichende Angebote für wohnungs- und siedlungsnahe Grünflächen laut Richtwerten u.ä..
Die positive Orientierung wären Ziele des Stadtumbaus und würden in der Folge sowohl den Wegzug aus den dichtbesiedelten Stadtgebieten minimieren, wie auch die Kinder- und Altenfreundlichkeit von Wohngebieten fördern und nebenbei die Entfernungen für die Bedürfnisbefriedigungen reduzieren und folglich auch den Autoverkehr, da die Ziele mit Entfernungen unter 3 km nicht mehr mit den motorisierten Verkehrsmitteln aufge-suchte werden müssen. Der Aufenthalt im Straßenraum wird zwar thematisiert; dafür sollen sie (mehr) hergerichtet werden. Jedoch fehlt der Aufenthalt im Freien - und das sind vorrangig (als Ziel) die Grün- und Freiflächen wie auch Plätze. Deshalb gehen viele Maßnahmen nur indirekt in die richtige Richtung.Jede Neuregelung des Stadtverkehrs muß notwendigerweise die Nichtmotorisierten Verkehre begünstigen und zu Lasten des Kfz-Verkehrs gehen, ohne die Versorgung der Stadt zu gefährden. Hier fehlen die deutlichen Akzente mit einem neuen Leitbild, das für den neuen Innenstadtverkehr stehen könnte. Vielmehr hat der STEP-Verkehr versucht, den Auto fahrenden Wählern nicht weh zu tun.

Ziele

Die Ziele wurden vernünftig aufgestellt, auch wenn sie teilweise noch Deutungen zulassen bzw. Kompromisse.
Mit den unterschiedlichen “Zieldimensionen” kann nur das ökonomische Ziel in etwa erreicht werden, nicht das soziale und schon gar nicht die ökologischen.

Wirkungsabschätzungen des Handlungskonzepts

So gut es ist, Handlungsauswirkungen vorauszuberechnen, so unvollkommen ist die Methode, wenn die falschen Prioritäten bzw. Parameter angelegt werden.

Beispiel 1:

Bei der Bewertung der verlängerten Straßenbahnstrecke in der Potsdamer Straße wird der “Raumbedarf” des Gleises negativ bewertet - auch wenn dem ein Attraktivitätsge-winn des Oberflächentransports und eine Aufwertung des Straßenabschnitts gegen-übersteht. Offenbar gehen die Autoren von einem eigenen (nicht überfahrbaren) Gleis-körper aus, der nur auf Kosten von Fahrspuren zu verwirklichen ist. Wenn hier die Prio-risierung der Straßenbahn als “Hilfsmittel” zur Reduzierung der Fahrspuren gewertet würde, wäre das bei der entsprechenden Vorgabe “Reduzierung von Fahrspuren in Richtung “kleiner Hundekopf” positiv zu werten, da der Autoverkehr von seiner gesam-ten Negativbilanz her sich reduzieren würde. Die Aufwertung des Straßenabschnitts durch bessere Erreichbarkeit und bessere Wahrnehmung der Läden könnte sich städ-tebaulich und wirtschaftlich auswirken. Auch eine “Umweltspur” (für Busse und Stra-ßenbahnen) in der Mitte der Fahrbahn käme dem gewünschten stadtverträglichen Ver-kehr entgegen, selbst wenn Lkws diese Spur, außer den Haltetstellenbereichen, mitbe-nutzen dürften, wie das seit einigen Jahren in diesem Straßenabschnitt bereits realisiert ist - ohne negative Folgen wie bspw. höhere Unfallzahlen.

Beispiel 2:

Die Straßenverbindung Michelangelostraße - Weißenseer Weg (mit 2 x 2 Fahrspuren + Rad- und Fußwegen) wird als “Verbesserungsmaß-nah-me”, selbstverständ-lich für den Kfz-Verkehr - ohne Straßenbahn -, untersucht, die dann als eine “Verbes-serung der Straßenbahnleistungsfähigkeit” (in der Berliner Allee, wo die Straßenbahn bereits einen eigenen Gleiskörper besitzt) positiv hervorgehoben wird. Diese Verbindung als Stra-ßenbahnverbindung entlarvt die Autoren; sie denken nur an den Stau von Kraftfahrzeu-gen. Sie denken an den Autoverkehr und versuchen in der Folge auch die Verbesse-rungen für den ÖPNV hervorzuheben statt umgekehrt vorzugehen und die Verbesse-rungen für den ÖPNV als Ziel zu verfolgen, um Autofahrer durch eine attraktive Verbin-dung mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Straßenbahn zu locken. Gleichfalls wird die gedankliche Haltung der Autoren durch die Beschreibung des Ausstattungstandards deutlich: 2 x 2 (Kfz-)Fahrspuren ist der Standard einer Durchfahrstraße, Radwege(!), ja, genau die mit den hohen Unfallzahlen an den Kreuzungen; werden offenbar unreflek-tiert als Fahrstreifen auf Fußwegen(!) vorgesehen - statt die seit Jahren geforderten Radspuren(!) auf der Fahrbahn anzulegen. Selbstverständlich werden solche Straßen immer mit beidseitiger Parkspur geplant, ohne dies im Text zu erwähnen. Die bauliche Einbindung in die Grünflächen (Kleingärten und Parkfläche) wird als Realisierungspro-blem gewertet; nicht dagegen die zusätzliche Belastung der Pistoriusstraße, deren Be-wohner bereits seit Jahren sich gegen den heute bereits bestehenden Durchfahrcha-rakter dieser Straße mit hohem LKW-Anteil wehren. Eine Straßenbahnverbindung in diesem Bereich zwischen dem Weißenseer Weg und der Ostseestraße (insbesondere für die Linie 23, vielleicht sogar ohne Autostraße durch den Grünbereich) wäre die an-gemessene Planungsgrundlage gewesen, die allerdings im Denken des Senatstems, also als Untersuchungsgegenstand für die Wirkungsanalyse, nicht vorgekommen ist. Welcher Kopf (welche Köpfe) haben solche Untersuchungsvorgaben bloß ersonnen? Ihnen müßte man mal eine kleine Einführung in das Thema Nachhaltigkeit bei der Stadt- und Verkehrsplanung ermöglichen!

“Möglichkeiten zur Begrenzung des Zielkonflikts bestehen darin, beim innerstädtischen Straßennetz Kapazitätsausweitungen systematisch mit gleichzeitigen Kapazitätsredu-zierungen (für den MIV) in entlasteten komplementären Netzteilen zu verbinden und diese dauerhaft den Anwohnern und den umweltverträglicheren Verkehrsmitteln zu-rückzugeben. Im Regional- und Fernverkehr können klare Prioritäten für die Schiene die notwendigen Trendänderungen im modal split unterstützen.” (Zitat STEP-Verkehr). Die-ser Zielkonflikt spielt beim gesamten STEP-Verkehr nur einmal eine Rolle: Nach dem Bau der A 113, die nicht in Frage gestellt und deshalb nicht untersucht wurde, soll spä-ter der heutige Straßenzug Schnellerstraße - Adlergestell (wahrscheinlich um eine Fahrspur) zugunsten einer Verbreiterung des östlichen Gehwegs “rückgebaut” werden; dies ist eine “kosmetische” Maßnahme, die niemanden der Anwohner deswegen ver-anlassen wird, diesen Gehweg später zu benutzen, da die Straße immer noch zu laut, weil sie immer noch stark befahren sein wird.
“Wenn die umweltpolitische Zieldimension mindestens gleichwertig mit den andern Ziel-dimensionen gewichtet werden soll, bestehen neben Abstrichen an der Verkehrsinfra-struktur weitere prioritäre, weil sehr wirksame Handlungsoptionen zur Veränderung des Wachstumstrends des motorisierten Verkehrs: Eine Begrenzung der Randwanderung und der Siedlungsflächendispersion in Stadt und Umland könnte wirksam helfen, moto-risierten Verkehr einzusparen.” Dieser Erkenntnis folgen keine Taten, die im STEP-Verkehr nachvollzogen werden könnten.

“Bei Überschreitung der Grenzwerte ist die Erstellung eines Luftreinhalteplans gefor-dert....”(Zitat STEP-Verkehr). Dies provoziert die Frage: Warum erst dann? Muß erst der Grenzwert erreicht werden, um einen solchen Plan zu initiieren? Selbst das Szenario 2 (Szenario 1 mit Parkraumbewirtschaftung), das die Maßnahmen der beiden andern Szenarien (plus Umorganisation des Straßenverkehrs und Geschwindigkeitskonzept) beinhaltet, lassen sich die gesteckten bzw. von der EU geforderten ökologischen Ziele der Reduzierung von Lärm- und Abgaswerten nicht (ausreichend) erreichen.

Strategien

Die oben beschriebene Kompromißlinie wird vor allem an den strategischen Ansätzen des Handlungskonzepts deutlich. Sie sind offenbar bereits durch die absehbaren Kon-flikte von verschiedene Interessengruppen auf die kleinste Schnittmenge der Gemein-samkeiten zusammengeschrumpft. Somit setzt die Schere bereits vor den eigentlichen Konfliktlinien an, um keine Konflikte aufbrechen zu lassen und alle Teilnehmer, insbe-sondere die Autolobby, “mitzunehmen”. Die untersuchten “Wirkungsabschätzun-gen wurden teils durch expertengestützte Beurteilung (Erfahrungswissen), teils durch quan-tifizierende Modellrechnungen vorgenommen.”
Aus dem Anspruch, “weniger sprunghaft als kontinuierlich” die relevanten Rahmenbe-dingungen zu verändern, wurden die Maßnahmen durch die “Gewichtungs- und Ent-scheidungsregeln” prinzipiell eingeschränkt, indem bauliche Lösungen “auch unter ver-änderten Verkehrsnachfragebedingungen noch begründet” oder aber “(grundsätzlich) reversible” Maßnahmen ausgeschlossen wurden - auch wenn das nicht explizit deutlich gesagt wird. Zum andern schränkt das Senatsverwaltungs-Team die Maßnahmen da-durch ein, daß es nicht “das Notwendige” (nämlich die teilweise Einschränkung des Kfz-Verkehrs) als Ziel formuliert, sondern es will lediglich “das Wachstum des Verkehrsauf-wandes (...) begrenzen”.
Durch die große Vorsicht bei der Abschätzung der voraussichtlich verfügbaren Finanz-volumens für Verkehrsmaßnahmen bis 2015 wird angedeutet, daß - angesichts einer schmalen Haushaltskasse keine großen Sprünge beabsichtigt sind - und man sich letztendlich auf die billigen, wirkungsvollen Maßnahmen konzentriert. Ob es aber viel-leicht noch viel wirkungsvollere Maßnahmen gibt, die möglicherweise wegen der Be-grenzung des Budgets oder mangelnder Durchsetzungschancen gar nicht erst ange-dacht werden, bleibt im Dunkeln. Weil auch hier der Widerstand der Kfz-Lobby erwartet wird, bleibt man (sicherheitshalber) lieber unter den Etats der letzten Jahre. Selbst das obere Szenario 3 “Prinzip Hoffnung” bleibt mit seinen 13 Mrd. Euro noch deutlich unter-halb des Finanzvolumens der zurückliegenden Jahre. Durch diese reale Beschränkung schließt man faktisch “teure” (vielleicht wirkungsvollere) Maßnahmen von vornherein als unrealistisch aus.
So verwundert es nicht, daß zwar der Radverkehrs “kontinuierlich verstärkt” werden soll, allerdings ist man nur bereit, sich dieses Handlungsziel 0,15 Mrd. Euro kosten zu lassen. Darin zeigt sich die altbekannte Bewertung des Fahrrades als nicht ernst zu nehmendes Verkehrsmittel im Stadtverkehr. Eine “Förderung” zu einem Billigpreis von ca. 1/7 der Fördersumme für Maßnahmen zugunsten des Autoverkehrs ist nach Jahr-zehnten der Ignorierung der Forderung der Fahrradförderung und dem überbordenden Nachholbedarf wirklich halbherzig. Dadurch werden die notwendigen Maßnahmen zum Abbau von Gefahren für den Radverkehr verzögert und sie auf Jahrzehnte mit dem Ef-fekt gestreckt, daß er im Betrachtungszeitraum keinen bedeutenden Zuwachs erreichen wird. Bei der oben angesprochenen Beschränkung des verfügbaren Finanzvolumens denkt schon niemand mehr an viele einzelne kleinteilige, aber als Baumaßnahme doch “teuere” Programme wie z.B. zur prinzipiellen Einengung von Fahrbahnquerschnitten an den Einfahrten in Wohnstraßen mit sog. “Gehwegnasen, um die Kfz-Lenker zugunsten des ungefährlicheren Überquerens von Fußgängern auf moderate, dem Fußgängerver-kehr angemessene Geschwindigkeiten zu drücken, oder durch den Einbau von sog. “Moabiter Kissen” oder die Veränderungen von Ampelschaltungen (z.B. “Rundum-Grün”). Für diese Maßnahmen sind nur 40% des Geldes für Radfördermaßnahmen (= nur 6% der Kfz-Verkehrsmaßnahmenförderung) vorgesehen. Dies zeigt sehr deutlich, wo die wahren Prioritäten des STEP-Verkehrs trotz aller Bekundungen bezüglich der Nachhaltigkeit liegen!

Teilstrategien

Umweltverbund

Im STEP-Verkehr werden die Verkehrsträger des ÖPNV “gleichbehandelt” bzw. undiffe-renziert, da beispielsweise lohnenden Straßenbahnlinien kein Vorrang eingeräumt wird (das wäre wohl schon “Politik”?) (z.B. Ersatz der Busse 148 und 348 und Straßenbahn-“Südtangente”), so bleibt die Straßenbahnnetzungleiche zwischen Ost und West (seit der Maueröffnung vor 14 Jahren mit nur 1(!) Ost-West-Linie) erhalten und soll nur um ganze 2(!) Linien bis 2015 erhöht werden. Die 40-jährige Straßenbahnnetztrennung bleibt damit erhalten, obwohl betriebswirtschaftliche Gründe deutlich für eine Auswei-tung des Straßenbahnnetzes als Ersatz für die Buslinien in diesem Straßenzug spre-chen. Der STEP-Verkehr konzentriert sich lieber auf die Erneuerung des Schienennet-zes im Ostteil und will weiter den teuren und überzogenen U 5-Neubau wegen der Bun-desunterstützung durchziehen.

Wirtschaftsverkehr

“Die Strategie setzt auf Sicherung und Verbesserung der infrastrukturellen Vorausset-zungen für die stärkere Nutzung der Schienen- und Wasserwege in der Stadt für den Güterverkehr und somit auf einen wieder vergrößerten Anteil dieser Verkehrs-träger am modal split.” (Zitat STEP-Verkehr). Es bleibt aber bei der Freiwilligkeit der Lkw-Lobby - ohne dirigistische (‘push and pull’-)Maßnahmen; deshalb wird die Strategie wirkungslos wie bisher bleiben. Zwar sollen die Schienenanschlüsse in Gewerbegebieten erhalten bleiben (und für die “Untersuchung der ‘Zukunftsfähigkeit’ bestehender Anschlussgleise sind auch 80.000 Euro veranschlagt, für die “Instandhaltung und Modernisierung der zu erhaltenden regionalen Schieneninfrastruktur für den Güterverkehr” sind 100 Mio. Euro im Maßnahmenkatalog vorgesehen), aber ohne gleichfalls nötigen Druck werden sie als zu unwirtschaftlich liegen gelassen, solange der Dieselpreis günstiger als die Bahn-transporttarife sind und die DB Cargo wie auch der Senat sich nur um Güterverteilzen-tren (GVZs), und nicht um Güterverteilsubzentren (GVSZs) kümmern.
“Die Realisierung von Optimierungspotenzialen der Wirtschaft durch Logistik und Ko-operation soll unterstützt werden”. Wenn die Güterverkehrslobby aber jede Maßnahme als ungeeignet oder (durch hohe Eigeninvestitionen) als zu teuer beurteilt, hat der Senat keine Möglichkeit, dirigierend einzugreifen, obwohl der Lkw-Verkehr der größte Zerstö-rer der Straßen (Beläge und Unterbau), somit extrem hoher Kostenverursacher wie auch der größte Emittent ist und für Nichtmotorisierte den größten Risiko- bzw. Gefähr-dungsfaktor darstellt. Für den Lkw-Verkehr macht die Entwicklung und Benutzung eines Lkw-Netzes mit Telematik Sinn, damit unnötige Belastungen aus den Wohngebieten ferngehalten werden. Allerdings erfordert er auch hohe Eigeninvestitionen der Spediti-onsunternehmen. Außerdem sollten Logistikkonzepte entwickelt und angewendet wer-den. Allerdings ist die Lobby bisher weder gewillt, noch wirtschaftlich oder durch Geset-ze dazu gezwungen, sich für Gütertransporte zusammenzuschließen und dadurch die Fahrtenhäufigkeit und gefahrenen Kilometer deutlich zu verringern. Wasserstraßen-er-wei-terungen für eine größere Frachtschiffklasse sind nicht stadt- und umweltverträglich und nützen dem Schiffsverkehr nicht, da er im Konkurrenzgerangel keine wesentliche Steigerung mehr zu erwarten hat.

Gesundheit und Sicherheit

Verkehrslärm

“Erhebliche Entlastungspotenziale beim Verkehrslärm im Hauptverkehrsstraßennetz können trotz wachsendem Verkehrs durch (erwartbare) Verbesserungen der Fahr-zeugtechnik und durch bauliche Maßnahmen zur Geräuschminderung an den Fahr-bahnoberflächen erreicht werden. Vor allem die Zahl der Betroffenen in den höchsten Belastungsstufen kann tags und nachts mit allen Szenarien deutlich reduziert werden (in den innerstädtischen Entlastungsbereichen nimmt der Lärm bis zu 5 dB(A) ab).” (Zi-tat STEP-Verkehr). Dies bezieht sich vorrangig auf die Entlastung vom Durchfahrver-kehr und wird hauptsächlich durch Asphaltierung der Kopfsteinstraßenbeläge und Ver-lagerung in andere Straßen erreicht - auf Kosten des historischen Straßenbildes. Es bleibt gleichwohl ein hohes Betroffenenpotenzial oberhalb der Orientierungswerte. Kon-sequente Maßnahmen zur Verhinderung der Durchquerung von Wohngebieten (wie beispielsweise Diagonalsperren) müssen zusamen mit Fahrbahnprofilverengungen sy-stematisch im gesamten Stadtgebiet durchgeführt werden, um der tatsächlich gefahre-nen Geschwindigkeit mit der Folge der deutlichen Reduzierung der Roll- und teilweise Motorgeräusche zu Leibe zu rücken.

Schadstoffemissionen und Belastungen

Der heutige verkehrsbedingte CO2-Ausstoß kann durch keines der Szenarien reduziert werden. Infolge der Zunahme der Verkehrsleistung in allen Szenarien wird die CO2-Emission vielmehr noch zunehmen. Mit sämtlichen vorgesehenen Maßnahmen können die künftig relevanten Grenzwerte der EU bei Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid und Stickoxid eingehalten werden. Bei Benzol und Stickstoffdioxid werden nur noch verein-zelt Überschreitungen auftreten und bei Feinstaub (PM 10) werden trotz spürbarer Ver-besserungen dagegen noch erhebliche Überschreitungen zu erwarten sein. Der Kfz-Verkehr ist der Hauptverursacher. Der Dieselruß taucht als Problem gar nicht auf, ob-wohl er mitverantwortlich für viele Tote ist. Dieselruß wird hauptsächlich von Lkw-Motoren ungefiltert in die Atemluft geschleudert - und in den Lungen der Anwohner endgelagert. Zumindest die Meßgröße müßte im STEP-Verkehr eine Rolle spielen. Maßnahmen dagegen sind in erster Linie nur über in den Fahrzeugen eingebaute Die-selrußfilter zu ergreifen, in zweiter Linie über die Abgasuntersuchungen, die gefahrenen Geschwindigkeiten (nicht proportional) und die Wegelängen.

Verkehrssicherheit

“Die Erhöhung der Umwelt- und Sozialverträglichkeit des Verkehrs soll durch Reduzie-rung verkehrsbedingter Emissionen und Veränderung des Fahrverhaltens mittels ver-kehrsorganisatorischer und verkehrserzieherischer Maßnahmen erreicht werden.” (Zitat STEP-Verkehr). Zwar stellt der STEP-Verkehr richtig fest, daß der “Zentral-punkt der Strategie die Veränderung des Umganges mit der Geschwindigkeit ist”, allerdings sind die verkehrserzieherischen Maßnahmen ein kaum gangbarer, da sehr lange dauernder Weg, weil allein die Bedeutung der Verkehrszeichen 325/326 (Verkehrsberuhigter Be-reich) 20 Jahre nach deren Einführung in die StVO von kaum einem Autofahrer richtig wiedergegeben werden kann. Gleiches ist zu befürchten, wenn die “Fahrradstraße” ein-gerichtet wird. Abgesehen davon, glauben Autofahrer, daß sie nicht unter 20 km/h fah-ren können, weil die Tachometernadel sich in diesem Bereich nicht (sichtbar) bewegt. Sie sehen es auch gar nicht ein, sich subjektiv als ‘schleichend’ empfunden vorwärts zu bewegen und weigern sich, sich an ihren Tacho zu halten, weil sie es als unzumutbar empfinden. Notwendig wäre ein generell innerorts vorgeschriebenes Tempo 30 - mit wenigen Ausnahmen auf Ausfallstraßen. Allerdings müssen dazu die Straßen in ihrem Profil, den Fahrbahn- und Fahrspurquerschnitten, verengt werden. Dies ist notwendig, weil die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit wesentlich von der optischen und tat-sächlichen Breite des Fahrraumes abhängig ist, nicht von den Verkehrsschildern und nicht vom ständigen Blick der Fahrer auf den Tacho! Ausschlaggebend ist die gefahre-ne, nicht die angeordnete(!) Geschwindigkeit. Diese baulichen Maßnahmen werden aber in der Finanzierung ausgespart. Bewußt? Die Geschwindigkeit “beeinflußt glei-chermaßen den Emissionsumfang und den Umfang der Gesundheitsgefährdung direkt. (...) Aktive Lärm- und Luftschadstoffreduzierung wird durch prioritäre Sanierung schad-hafter Fahrbahnbeläge betrieben und durch Anreize zur Flottenmodernisierung im Gü-terverkehr.” (Zitat STEP-Verkehr). Hier wird statt der Anordnung von ´reduzierten Ge-schwindigkeiten lieber die letzten Kopfsteinpflasterbeläge mit einer Asphaltdecke ver-sehen, womit eine psychologische wie auch bauliche Voraussetzung geschaffen wird, daß höhere Geschwindigkeiten gefahren werden. Diese Maßnahmen sind als Einzel-maßnahmen ohne gleichzeitige Verengung der Fahrbahn- und Fahrspurquerschnitte kontraproduktiv. Der Wille, die Verkehrsgefährdung der Menschen gegen Null zu brin-gen, muß dem STEP-Verkehr abgesprochen werden, da die vorgeschlagenen Maß-nahmen zu widersprüchlich und halbherzig vorgenommen werden. Der Autoverkehr wird auch weiterhin auf Nichtmotorisierte keine Rücksicht nehmen.

Wirkungsabschätzungen

Untersuchungen der Wirkungsabschätzungen sind zwar angemessene Methoden, um teure und weitreichende Entscheidungen im Vorfeld der Realisierung auf Folgewirkun-gen zu überprüfen, aber die “inputs” setzen nur an relativ wirkungslosen Maßnahmehe-beln an. Deshalb verwundert es auch niemanden, daß nur unbedeutende Ergebnisse in Richtung der Ziele erreicht werden und somit die Aufgabe als verfehlt bezeichnet wer-den kann.

Innere Stadt

“Bezüglich der Zentrenbereiche Mitte und City-West beseitigt keines der Maßnahmens-zenarien den generellen Reisezeitvorteil des Kfz-Verkehrs gegenüber dem ÖPNV. (...) Alle vorgesehenen Maßnahmen zur Beschleunigung des ÖPNV können keine umfas-sende Veränderung der Reisezeitverhältnisse bewirken.” (Zitat STEP-Verkehr)
In Stadt-Umland-Verbindungen wird der Kfz-Verkehr durch die vorgeschlagenen Maß-nahmen eine stärkere Straßenbelegung erreichen und damit um etwa 5 Min. langsamer - mit Ausnahme des Südost-Raumes (ausschließlich wegen des Autobahn-Neubaus A 113!). Die Ungleichheit der Erreichbarkeit der beiden City-Bereiche jeweils vom andern Stadtraum bleibt unverändert, auch wenn die ÖPNV-Erreichbar-keit der City-Ost um 3 - 10 min. schneller erreichbar wird. Hier sind offenbar verkehrspolitisch falsche Ziele ge-prüft worden: man kann einerseits nicht die Aufwertung der Dezentralität beim Einkaufs- und Versorgungsverkehr wie auch das kulturellen Angebot als Ziel formulieren, wenn man die Erreichbarkeit der City-Ost und West als Prüfungskriterium setzt - und folglich alles daran setzt, diese zu optimieren! Hier sind Maßnahmen für die Einrichtung von Fußgängerbereichen angemessen. Diese stärken die kleinräumige Attraktivität von de-zentralen urbanen Einkaufs- und Erlebnisbereichen. Fußgängerbereiche tauchen aber im gesamten STEP-Verkehr nicht auf. Statt dessen werden großflächigen Einzelhan-delszentren innerhalb der Stadtgrenzen immer mehr Flächen zur Verfügung gestellt. Dieses Handeln ist kontraproduktiv, weil die Nutzung der Kfzs (Pkws und Lkws) ver-stärkt werden und sich dadurch die Wege verlängern.

“Der Vergleich der Szenarien 0 und 1 zeigt, daß zusätzliche Infrastruktur zusätzlichen motorisierten Verkehr bei MIV und ÖPNV erzeugt.” (Zitat STEP-Verkehr). Dies ist die Bankrotterklärung eines Ziels ‘Verkehrsreduzierung’.

Auch wenn der STEP-Verkehr empfiehlt, einige Straßenbauvorhaben nicht zu realisie-ren oder die Maßnahme aufzuschieben (Trassenfreihaltung), so versucht er doch dem Autoverkehr mehr gerecht zu werden, als Schaden von der Bevölkerung (insbe-sondere der nichtmotorisierten) fernzuhalten. Zu begrüßen sind auch weitgehend die Maßnah-men für den ÖPNV - allerdings mit Abstrichen, wie beispielsweise der U 5-Verlängerung. Bei dem Straßenbahn/U-Bahn-Integrationsansatz zwischen Kulturforum, Innsbrucker Platz und Rathaus Steglitz wird allerdings für den Integrationsansatz plä-diert, der auf die maximale Transportkapazität optimiert worden ist - unabhängig von Kosten und betrieblicher Wirtschaftlichkeit. Daran wird deutlich, daß die Wirkungsmaß-nahmen nur technisch abgeschätzt (d.h. berechnet) wurden - entgegen jeder planeri-schen Logik. Zu befürchten ist, daß das an diversen andern Stellen ebenfalls gesche-hen ist und somit den Politikern möglicherweise falsche Voraussetzungen für ihre Ent-scheidungen geliefert worden sind. Z.B. wird in Weißensee für den Verkehr in nordöstli-cher Richtung mit einer “Stadtbahn” als Vorläufer einer S-Bahn spekuliert, was nur als Express-Straßenbahn gedeutet werden kann. Sie verstärkt auch den Eindruck der Ver-besserung der Zentrumserreichbarkeit als Ziel, das (wie oben ausgeführt) kontrapro-duktiv für die dezentralen, örtlichen und suburbanen Zentren ist. Die Aufrüstung der Straßenbahn durch höhere, gefahrene Geschwindigkeiten bedeutet aber eine Zunahme der Verkehrsgefährdung (z.B. bei Überquerungen der Gleise außerhalb der Haltestellen durch Fußgänger) und löst das Problem der verbesserbaren Erreichbarkeit nur gering-fügig. Statt dessen ist eine tangentiale Verbindung vom Weißenseer Weg zur Ostsee-straße für die Straßenbahn gar nicht geprüft worden. Dies wäre eine deutliche Verbes-serung der Erreichbarkeit.

Teilstrategie Innere Stadt

Hier wird für den Kfz-Verkehr leider immer noch den Konzepten der 60-er Jahre von Straßenringen und Tangenten das Wort geredet. Es ist sogar konkret geplant, die A 100 zu verlängern. Bisher findet die Verkehrswissenschaft keine Beweise für die Entlastung der Innenstadt durch Autobahn-(oder ähnliche)Ringe und Tangenten - im Gegenteil, sie hat sich von solchen Konzepten seit 20 Jahren gerade wegen der Wirkungslosigkeit verabschiedet. Wer weniger Kfz-Verkehr in der Innenstadt haben will, muß die Zufahr-ten zur Innenstadt mit Maßnahmen der Zuflußbegrenzung einschränken - und nicht neue Schlupflöcher aufmachen bzw. auf Straßen niederer Ordnung in Wohngebieten verlagern, um zusätzlichen Autoverkehr zu bewältigen. Wirkungsvolle Maßnahmen sind nur: durch Reduzierung der Fahrspuren auf den Zufahrtstraßen mit Einengungen der Einfahrten in die Wohnstraßen, Ausweisung eines Lkw-Routennetzes über Telematik mit Leitung/Weisung der Lkws zu den Zielpunkten (Lkw-Netz), Verkehrslenkung durch Veränderung von Ampelschaltungen und durch Schilderführung.
Proklamierte Strategien bei “solchen Straßenneubauprojekten, die die Netzkapazität deutlich ausweiten, sollen systematisch mit kapazitätsbeschränkenden und qualitätssi-chernden Maßnahmen in den entlasteten Bereichen verbunden werden.” (Zitat STEP-Verkehr). Allerdings sucht man bei den Maßnahmen den Rückbau von Straßen vergeb-lich - trotz proklamiertem Neubau von Autobahnen, z.B. bei der Verlängerung der A 100 - mit einer Ausnahme: für den BAB-Neubau entlang des Teltowkanals für 334 Mio. Euro soll mit 5 Mio. Euro der Straßenzug Schnellerstraße-Adlerge-stell verändert (zurückge-baut?) werden. Offenbar greift in allen andern Fällen der Druck der Autoverkehrsmasse (aus Autofahrermund: “Ja, wo sollen denn die Autos fahren?”), um weder Straßen zu-rückzubauen noch um Wohngebietsstraßen wirkungsvoll vor dem Durchfahrverkehr zu schützen. Dahinter steckt die Haltung, daß mit den vorgeschlagenen Maßnahmen ja niemandem (gemeint sind Autofahrer und Wähler) weh getan werden soll. Aber auch die Nichtmotorisierten sind Wähler!

Äußere Stadt

Die Tangentialverbindung Ost (TVO) wird gerechtfertigt, um Umwegverkehr zu reduzie-ren - auf Kosten der Umweltbelastung von Grünflächen und der Stadtgestaltung. Dies kennzeichnet das Isolierte Denken der Verkehrsplaner. In der Wirkungsabschätzung ist das südliche Ende der TVO nur als Ganzes dargestellt und kommt zu der Aussage, daß sie bis einschließlich zum Glienicker Weg (mit dessen Ausbau) sinnvoll ist. Aus dem Abschlußbericht geht nicht hervor, ob kleinere Abschnitte einzeln untersucht worden sind. Wir halten sie bis zur Oberspreestraße für ausreichend. Der Rest ist offenbar dem Wunschdenken bzw. der oben beschriebenen eingeschränkten Güterabwägung ge-schuldet, um eine “Flüssigkeit des (Auto-)Verkehrs” zu erreichen.

Damit läuft die Verkehrsplanung immer noch dem Fetisch ‘ständig fließender Autover-kehr’ hinterher, obwohl die Verkehrswissenschaft sich längst nur noch mit der Länge der Staus beschäftigt, statt mit der Illusion eines ständig fließenden (Auto-)Verkehrsstroms. Durch die Wirkungsabschätzungen ist immerhin deutlich geworden, daß einige Straßenverbreiterungen und -Verlängerungen keinen verkehrsnotwendigen Hintergrund haben, sondern nur Umwege verkürzen würden, für Autofahrer bequemer (= zeitsparender) oder nur grafische Lückenschlüsse wären. Aber an einigen Stellen geben die Straßenverkehrsplaner offenbar der Autolobby nach. Das “Bündelungs”-argument für Straßenneubau wird immer noch angeführt, um andere Anwohner an Hauptverkehrsstraßen geringfügig zu “entlasten” - was für diese nicht hörbar ist.
So stellt die Wirkungsanalyse fest, daß die A 100-Verlängerung den Bereich des Innen-rings entlastet. Lapidar: “Die Realisierung der TVO wirkt sich negativ auf die ÖPNV-Nachfrage aus”, was den erklärten Zielen des STEP-Verkehr zuwiderläuft. Somit stellt der STEP-Verkehr fest, daß auf die Südost-Autobahn verzichtet werden muß - wenn man dem Ziel dieses Plans folgen will. Trotzdem ist die BAB bis zur Anschlußstelle Treptower Park im “vordringlichen Bedarf” angemeldet.

“Die Beschlußlage zum Flughafen BBI wird umgesetzt.” heißt es lapidar. Der Bau eines Großflughafens in Schönefeld ist also “gesetzt” worden - ohne weitere Untersuchung. Der gesamte Flugverkehr wurde nicht untersucht, da er nicht Inhalt der Untersuchung war, wahrscheinlich, weil das Gelände des Schönefelder Flughafens im Land Branden-burg liegt, der STEP-Verkehr aber nur für Berlin angefertigt wurde.

Verkehrliche Wirkungen der Szenarien

Der STEP-Verkehr stellt fest: bis 2015 ist “mit weiterem Wachstum der Verkehrsleistung zu rechnen (beim Kfz-Verkehr je nach Szenario zwischen 12 und 19%, beim ÖPNV zwischen 12 und 28%)”. Vorrangig wegen der Randwanderung und ins Umland. Die vorgeschlagenen und untersuchten Maßnahmen zeigen zwar eine “deutliche Wirkung mit erheblichen Unterschieden zwischen den Szenarien, der Trend des Verkehrs-wachstums per Saldo in der Gesamtregion kann aber “nicht gebrochen werden”. Es wird lediglich eine bessere Verteilung und dadurch eine Entlastung “qualitätvoller Stadt-räume” von verkehrsbedingten Emissionen erreicht. “Der vorgesehene Infrastruktur-Ausbau im ÖPNV (..) trägt weniger dazu bei, den modal split zu verändern, als die auf Parkraum und Verkehrsorganisation bezogenen Maßnahmen.” (Zitat STEP-Verkehr) Das besagt nichts geringeres, als daß das Maßnahmenpaket seine eigentlich beabsich-tigte Wirkung verfehlt, denn “eine Senkung der MIV-Fahrten bis 2015 um 3% scheint (nur mit dem “schärftsten” Szenario 3 (“Prinzip Hoffnung”), also der Summe aller vorge-schlagenen Maßnahmen, erreichbar. Dies ist eine Bankrotterklärung der STEP-Maßnahmen. Sie verpuffen fast wirkungslos, bzw. sie gehen am Ziel vorbei. Hier herrscht dringender Nachbesserungsbedarf - wenn man die Aufgabe und die Ziele des STEP-Verkehr ernst nimmt!
Von den eingeschränkt untersuchten und vorgeschlagenen verkehrsorganisatorischen Maßnahmen wurde die Parkraumbewirtschaftung als die wirkungsvollste zur Ableitung des Durchfahrverkehrs errechnet, um die Innenstadt “deutlich” zu entlasten. Die Be-grenzung zusätzlicher Kfz.Fahrleistungen im Nah- und Regionalverkehr auf max. 5% bis 2015 wird als positiv (volle Erreichung eines ökologischen Ziels) angesehen. Trotz-dem kann man sich nicht des Gesamteindrucks erwehren, daß der STEP-Verkehr ge-genüber dem Druck der Automasse (und damit der Autolobby) kapituliert. Er “opfert” sogar die Verlängerung der A 100 sogar bis zur Frankfurter Allee. Hier wird immer noch von der “Bewältigung des Autoverkehrs” bzw. dem Fließen um jeden Preis das Wort geredet - auf Kosten gravierender Eingriffe in Stadt- und Landschaftsräume und diese rechtfertigen dann auch noch Tunnelabschnitte mit enormen Kosten- statt auf eine Ver-ringerung der Kfz-Fahrten zu zielen.
Die U 5 ist eine Maßnahme, die den ÖPNV umverlagert, aber auch relevante Neuver-kehr erzeugt (ca. ....%), eine Abwägung mit den Investitionskosten und dem Betriebs-aufwand erfolgte jedoch nicht. Hieran werden die Grenzen eines solchen Planwerks deutlich. Unter Verkehrsoptimierungssicht (auch wenn dies mit der Absicht geschieht, den ÖPNV zu stärken),werden notwendige Abwägungen nicht benannt. Diese Abwä-gungen mit der Stadtgestaltung und der Umweltverträglichkeit fehlen innerhalb der un-tersuchten Kriterien. Deshalb muß in jedem Einzelfall eine aufwendige UVS erstellt werden. Bei der Abwägung der Belange durch die Behörden werden die Einwände von Stadtgestaltung und Umweltbeeinträchtigungen, die häufig von Bürgern immer wieder eingefordert werden, weggewogen - zugunsten des “fließenden” Autoverkehrs.